Gedanken zur Ausstellung „Jugend“
Die Kindergesichter der Malerin
Modersohn-Becker berühren uns sehr. Alle Sehnsüchte nach eigenen Kindern
drücken sich auf intensivste Weise bei dieser großartigen Künstlerin
dabei aus. Geht man durch die Kunstgeschichte, so begegnen uns in allen
Kulturen Bildnisse von Jugendlichen. Meist ist die Anmut und Schönheit
der jungen Menschen gepriesen, manchmal auch stille Melancholie oder
Angst vor dem Ungewissen des Zukünftigen oder der Begegnung der Gewalt
von Mitmenschen, von Bedrohungen durch Tiere, Naturgewalten. In unseren
Tagen erleben wir tagtäglich über das Fernsehen traumatisierte Gesichter
von jungen Kriegsopfern. Die Geschichte der Menschheit ist eine
unendliche Reihenfolge von brutalsten Geschehnissen der Selbstzerstörung
und der Vernichtung von Umwelt. Die selben Eigenschaften von Aggression
und Härte sind fast allen Lebewesen in ihren Genen mitgegeben, die
begründet sind in der Notwendigkeit, zu überleben. Die Nahrungssuche und
die Verteidigung ihrer Wohngebiete und Reviere erklären dieses
Verhalten. Grausamer erscheint uns dabei das Treiben der Raubtiere und
der Pflanzen, die mit Giften arbeiten. Die vegetarischen Lebewesen haben
ein friedvolleres Erscheinungsbild. Das des Menschen ist aber das
Erschreckendste. Widmen wir uns nun den ausgestellten Museumsbildern.
Ich selbst weiß, das Kinderjahre nicht nur von einer Idylle geprägt
sind. Als Kriegskind erlebte ich Todesangst, Vertreibung und Bedrohung
meiner Mutter, die aber immer wieder meine starke Beschützerin sein
durfte. Ich fand später als Jugendlicher viel Trost in den Begegnungen
mit Tieren, Pflanzen und heimischen Landschaften. Auch prägte mich sehr
die Beschäftigung mit Literatur, die die Kraft und Magie der Natur
vermittelte. Adalbert Stifter z. B. ermöglichte mir, dass ich die Zeit
der Pubertät, die seelische Unruhe mir verschaffte, zu einer
Selbstfindung transformieren konnte. Bewusst vermeide ich bei den
Gestalten von Jugendbildern negative Erlebnisse, die ich als Kriegskind
erfuhr. Denn mein künstlerisches Konzept ist es, dem Betrachter Harmonie
zu vermitteln. Die wunderbaren Geschenke der Natur sind die, dass das
Kind die Naturkräfte von Liebe und Eros als Unbewusstes in seinem
Inneren und das Abenteuer der Entdeckungsreise in die Welt nach Draußen
erleben darf. Ich bin dankbar dafür, dass ich bei der Findungsreise
interessante und liebevolle Menschen und Tiere gefunden habe.
Auch
bin ich mir bewusst, dass starke und junge Kunst von Musikern und Malern
mir sehr geholfen haben, ausgetretene Wege zu verlassen und auch
ermutigt haben, mich dort hin zu bewegen, wo sich nicht Scheinharmonie
einer heilen Welt artikuliert, sondern wo ein Arbeitsfeld der Kunst, das
kreativ und mutig zu bestellen ist, sich vor meinen Augen ausbreitet.
Diese Arbeit auf dem Acker der Kunst ist nicht als Frondienst zu
verstehen, sondern als Beitrag eines Reifeprozesses, der als Ergebnis
eine Kunst fördert, die die Menschen stärkt, erfreut und die auch zur
philosophischen Welterklärung beiträgt. Die Abbildung von Jugendlichen
ist dabei ein besonders starkes Anliegen, den Menschen Energie zu
vermitteln, als Ausgleich für scheinbar verlorene Jugendlichkeit. Ihnen
möge dabei bewusst werden, dass alle Lebensvorgänge immer unvergänglich
und im Unterbewusstsein gespeichert und gegenwärtig sind.
Für uns Erwachsene ist es in unserer Zeitgegenwart eine große und notwendige Aufgabe, dass unsere großartige Mutter Erde für die Jugend in Zukunft erhalten bleibt. Die Misshandlung und der Missbrauch von Kindern sind nicht mehr einer Kulturgesellschaft zumutbar. Wir alle müssen eine große Kraftanstrengung unternehmen, dass die Evolution einen großen Sprung nach vorn macht und die negativen Eigenschaften des Lebewesens Mensch so stark eliminiert, dass die Apokalypse nicht stattfindet. Starke Kunst möge dabei helfen!