Wolfgang Volz - Das Auge von Christo & Jeanne Claude

Ausstellung von 22.05. bis 24.10.2021

Christo (1935–2020) und Jeanne-Claude (1935–2009) haben einige der atemberaubendsten Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts geschaffen. Mit ihren Projekten haben sie die traditionelle Vorstellung von Malerei, Skulptur und Architektur radikal in Frage gestellt.

Frustriert vom Angebot der Kunstakademie in Sofia, wo er zuvor drei Jahre lang unter der Ideologie des Sozialistischen Realismus studiert hatte, verließ Christo im Herbst 1956 Bulgarien in Richtung Prag. Kurz darauf bestach er einen Bahnangestellten, floh in einem verplombten Güterwaggon nach Wien, gab seinen bulgarischen Pass ab und bat um politisches Asyl – eine Biografie, die Christos freiheitliches Denken und Handeln bis zu seinem Tod prägte.

Nach seiner Ankunft in Paris im März 1958 bestand Christos Kunst zunächst aus einem wilden Durcheinander an Stilen. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, machte er das, was er später als ‚Prostitution‘ bezeichnen sollte: er malte Porträts von den reichen Damen der Gesellschaft. Im Falle von Jeanne-Claude, die Christo kennen lernte, als er im Oktober 1958 ihre Mutter porträtierte, wurde daraus erst Freundschaft, dann Liebe und schließlich auch eine künstlerische Partnerschaft. Drei Jahrzehnte lang spielte Jeanne-Claude die ihr gesellschaftlich zugeschriebene Rolle als Christos Ehefrau und rechte Hand, bevor die beiden 1994, zum Entsetzen einer in Rollenklischees verhafteten Kunstszene, erklärten, ab sofort heiße es gleichberechtigt nur noch ‚Christo und Jeanne-Claude‘.

Mit ihren ab den 1960er-Jahren gemeinschaftlich realisierten Großprojekten verfolgten die Künstler stets einen zutiefst kollektiven Ansatz, indem sie ein breites Spektrum an Menschen involvierten: Landwirte, Bauarbeiter, Ingenieure, Anwälte, Politiker… Ihre Kunst brach in den Alltag der Menschen ein, störte ihn, brachte ihn durcheinander, war lästig, unbequem. Als ein „Pieken der Gesellschaft“ hat Christo das einmal selbst bezeichnet, nicht, um sie zu verletzten, sondern um sie aufzuwecken.

Der Sturm der Entrüstung, der jedem Projekt entgegenschlug, wandelte sich spätestens mit der Realisierung in ungläubiges Staunen. Die Fotografien von Wolfgang Volz, der die Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude seit den 1970er-Jahren exklusiv mit der Kamera begleitet hat, atmen diesen Geist aus jedem Korn, aus jedem Pixel. Für unsere kapitalistische Gesellschaft waren diese Projekte, die meistens nicht länger als zwei oder drei Wochen existierten, ohne Sinn. Und natürlich waren sie das auch. Der Politiker, der sich auf Christo und Jeanne-Claudes Ideen einließ, hatte im Grunde schon verloren. Lehnte er das Projekt ab, galt er als kunstfeindlich, befürwortete er es, so brachte er unweigerlich eine Schar protestierender Bürger gegen sich auf. Es ist vielleicht das, was uns Christo und Jeanne-Claudes Kunst gelehrt hat, ihr größter Verdienst. Ihre Projekte sind Lehrstücke, nicht nur über die Frage, was Kunst ist. Sie verraten vermutlich mehr über Politik, über soziale und ökonomische Zustände eines Landes als jede Statistik, jede Umfrage, jedes Geschichtsbuch. Neben all diesen Aspekten, dem Für und Wider, den Diskussionen, Auseinandersetzungen und Kämpfen sind Christo und Jeanne-Claudes Projekte letztendlich – und das ist, was uns die Aufnahmen von Wolfgang Volz zeigen – vor allem eines: atemberaubend schön.

Matthias Koddenberg

Ausstellende Künstler

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